Gigg+Volt warnt vor Fake-Ökostrom der Stadtwerke
Wer mit dem Abschluss eines Ökostrom-Vertrags die Energiewende unterstützten möchte, sollte nicht auf das Angebot der Stadtwerke hereinfallen, warnt die Fraktion Gigg+Volt.
Ökostrom-Tarife sind bei vielen Deutschen sehr beliebt, da sie ein einfaches Mittel sind, um den eigenen CO2-Fußabdruck schnell und bequem zu reduzieren. Bei der Wahl des Anbieters gibt es jedoch einiges zu beachten, damit der Umstieg nicht nur der eigenen Beruhigung dient, sondern auch einen echten positiven Einfluss auf die Energiewende nimmt. So sollte der Strom zu einem möglichst großen Anteil aus eigenen erneuerbare Energie-Anlagen des Stromversorgers stammen und sich der Anbieter dazu verpflichtet haben, in weitere neue Anlagen zu investieren.
Viele Anbieter am Markt, inklusive der Stadtwerke Gießen, kaufen jedoch Strom aus unterschiedlichsten Quellen am Markt ein und etikettieren ihn dann zu „100 % Ökostrom“ durch den Kauf von billigen Zertifikaten um. Im Falle der Stadtwerke stammten 2022 fast 40 % des insgesamt gelieferten Stroms aus Kohlekraftwerken, 12% aus Erdgas und weitere 6% aus Kernenergie. Für die sogenannten „Gießener Grünstrom Plus“-Tarife wird der eingekaufte Strom-Mix dann mit Zertifikaten aus italienischen Wasserkraftwerken, die bereits seit 1940 am Netz sind, „grün gewaschen“. Statt selbst in Anlagen zur Produktion von sauberem Strom in relevantem Umfang zu investieren, setzen die Stadtwerke also auf Augenwischerei. „Kunden, die sich für die deutlich teureren Grünstrom-Plus-Tarife entschieden haben, haben das sicherlich in dem guten Glauben getan, dass sie damit einen positiven Beitrag gegen die Erdüberhitzung leisten. Leider werden die Stadtwerke diesem Vertrauen nicht gerecht. Diese Geschäftspraktiken kritisieren wir bereits seit Jahren.“ so Johannes Rippl, Stadtverordneter von Gigg+Volt.
Im November 2022 beantragte die Fraktion daher, dass die Stadtwerke den Ankauf von Kompensationszertifikaten sowie den Vertrieb der Tarife „Gießener Grünstrom Plus“ und „Gießener Grünstrom Plus Drive“ zum nächstmöglichen Termin einstellen und einen echten Ökostrom-Tarif, der die strengen Voraussetzungen des „Grüner-Strom“-Labels erfüllt, anbieten sollen. Dieser Antrag wurde auch mit den Stimmen der grün-rot-roten Koalition beschlossen. Doch leider plant das städtische Unternehmen nicht, diesen Beschluss des Stadtparlaments endlich umzusetzen, wie nun aus einer Magistratsantwort auf eine Anfrage von Gigg+Volt hervorgeht.
„Für mich ist es völlig unverständlich, wie die Koalition unseren Antrag zunächst annehmen, sich dann aber nicht für dessen Umsetzung einsetzen kann. Die Stadt ist vertreten durch den Magistrat alleinige Gesellschafterin der Stadtwerke. Die Koalition hat im Aufsichtsrat der Stadtwerke eine Mehrheit und mit Bürgermeister Wright stellt sie auch den Aufsichtsratsvorsitzenden. Wenn man nicht mal in einer Zeit, in der auch über die Verlängerung der Vorstandsverträge gesprochen wird, genügend Überzeugungskraft aufbringt, um die selbst mitgetragenen Beschlüsse durchzusetzen, weiß ich wirklich nicht, wie man die Einhaltung der 2035Null-Verpflichtung erreichen will.“ so Rippl weiter. „Vielleicht ist es auch an der Zeit, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu überdenken. Die Überwachung eines Energiekonzerns mit über 380 Millionen Euro Bilanzsumme, rund 770 Mitarbeitenden und 9 Tochtergesellschaften, der mitten in der größten Transformation seiner Geschichte stecken sollte, vor allen Dingen politischen Mandatsträgern, anstatt Experten aus dem Energiemarkt zu überlassen, halten wir für schwer nachvollziehbar.“
Insbesondere Kunden der Grünstrom-Plus-Tarife rät Rippl, sich bei den Stadtwerken mit der Forderung nach einem Tarif mit „Grüner-Strom“-Label zu melden. „Ich bin mir sicher, dass es auch in Gießen genügend Menschen gibt, die Wert auf einen qualitativ hochwertigen Ökostromtarif legen. Dieses Geschäft lassen sich die Stadtwerke momentan von anderen Anbietern am Markt wegnehmen.“