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Rede zum Antrag "Potenzialanalyse PV-Freiflächenanlagen"

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zur Erreichung der Klimaneutralität müssen laut dem Bericht „Klimaneutrales Gießen 2035“ künftig 290 GWh Strom allein durch PV-Freiflächenanlagen produzieren werden. Ohne einen drastischen Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt und von Photovoltaik im Besonderen, ist die Klimaneutralität nicht zu erreichen. Und obwohl dieser Ausbau daher neben der Verkehrs- und der Wärmewende das wichtigste klimapolitische Projekt sein sollte, bleiben Magistrat und Stadtwerke Antworten schuldig, wie dieser gelingen sollen.

 

Im letzten Jahr wurde laut Marktstammdatenregister nicht eine einzige PV-Anlage auf kommunalen Gebäuden in Betrieb genommen und in diesem Jahr lediglich zwei. Die Wohnbau, die in der Vergangenheit vergleichsweise aktiv war, fährt ihre Investitionen in Photovoltaik laut Aussage von Frau Haberland sogar zurück und es ist noch nicht klar, ob andere diese Lücke füllen werden. Und die Stadtwerke haben lediglich eine 10%-ige Beteiligung an einem kleinen Solarpark und betreiben selbst nur eine einzige PV-Anlage in Wettenberg. Und die ist kleiner als eine durchschnittliche Hausanlage. Stattdessen bauen bereits andere Energieversorger auf dem Stadtgebiet Mieterstrom-Anlagen, Anlagen, von denen SWG-Vorstand Funk behauptet, dass man sie nicht rentabel umsetzen könne.

 

Im März und natürlich rein zufällig während des Kommunalwahlkampfes, verkündete Dezernentin Weigel-Greilich die Teilnahme am so genannten „Wattbewerb“. Einem Wettbewerb, bei dem Kommunen darum konkurrieren, wer zuerst eine Verdopplung der installierten PV-Leistung erreicht. Dabei sprach Frau Weigel-Greilich von „ambitionierten Zielen“ die man sich beim PV-Ausbau gesetzt habe. Bis heute liegt jedoch weder ein Konzept vor, noch wurde ein ausreichend großes Budget definiert, um diese Ziele auch erreichbar zu machen. Laut ihrer eigenen Aussage sind für dieses und nächstes Jahr lediglich fünf Ausschreibungen für PV-Anlagen geplant. Und diese sollen noch nicht mal möglichst groß dimensioniert werden, sondern lediglich den Eigenverbrauch der jeweiligen Gebäude decken. Wie Sie durch das reine Betonen von Zielen auch nur einen Schritt weiterkommen wollen, ist mir ein Rätsel.

 

Unser Antrag ist daher als Anstoß zu verstehen, sich endlich dieser Herkules-Aufgabe zu stellen. Die Anmerkung der Grünen im Bauausschuss, dass das Potential von Freiflächenanlagen doch im Solarkataster einzusehen sei, greift viel zu kurz. Dort sieht man zwar die solare Einstrahlung, aber das ist nur der erste Schritt einer Bewertung, ob eine Fläche geeignet ist, bzw. ob eine realistische Chance auf Umsetzung besteht. Danach gilt es zum Beispiel zu prüfen, ob es dort Einschränkungen durch Umwelt- oder Bodendenkmalschutz gibt, ob eine B-Planänderung notwendig und möglich ist, ob eine EEG-Förderung möglich wäre und natürlich auch, wem diese Flächen gehören, um dann mit den Eigentümern das Gespräch zu suchen. Natürlich ist das alles furchtbar mühsam, aber es hat auch nie jemand behauptet, dass sich die Verpflichtung zur Klimaneutralität mal eben nebenbei erfüllen lässt.

 

Natürlich klingt es gut, wenn man Dächern Priorität vor Freiflächenanlagen geben möchte, aber im eingangs erwähnten Bericht steht an dieser Stelle kein ODER, sondern ein UND. Klimaneutralität gelingt nur durch die Elektrifizierung weiterer Sektoren. Der Strombedarf wird also stark ansteigen und um diesen decken zu können, brauchen wir sowohl Dachanlagen als auch Freiflächenanlagen. Wenn letztere nicht gewünscht sind, oder man zur Erkenntnis kommt, dass Gießen dafür nicht ausreichend Flächen zur Verfügung stellen kann, muss dies im nächsten Klimaschutzbericht thematisiert und neue Wege aufgezeichnet werden. Anlagen auf Schulen, die nur so dimensioniert werden, dass sie den Eigenbedarf decken und Anlagen auf ein paar neuen Gebäuden allein, werden nicht ausreichen, um dieses Problem zu lösen. Hier ist deutlich mehr Kreativität gefragt, z.B. in dem auch eine Co-Nutzung von Flächen geprüft wird. Denkbar wären unter anderem mit PV überdachte große Parkplätze oder auch die Kombination aus landwirtschaftlicher Nutzung und PV.

 

Wenn Sie der Meinung sind, dass sich die Stadt nicht mit Freiflächenanlagen beschäftigen muss – ok, dann stimmen Sie gegen unseren Antrag. Dann müssen Sie aber auch Antworten liefern, woher der erneuerbare Strom in Zukunft kommen soll.

 

 

Gehalten von Johannes Rippl, Gigg+Volt, im Rahmen der Stadtverordnetenversammlung am 16. Dezember 2021

Der Antrag wurde von allen anderen Fraktionen mit Ausnahme von DIE PARTEI abgelehnt.